Weg mit dem Breitbandantibiotikum!

Zu viel Agilität schafft Resistenzen
Eine der größten Erfindungen der vergangenen 100 Jahre ist zweifellos das Antibiotikum. Penicillin & Co. haben seit den 1940er Jahren Millionen Menschenleben gerettet. Aber der Erfolg hatte seine Schattenseite. Zumindest in der westlichen Welt wurden Antibiotika verschrieben, auch wenn das gar nicht notwendig war. Sie kamen auch dort zum Einsatz, wo andere Heilmittel viel besser geeignet gewesen wären, wo Antibiotika schlicht nicht das richtige Instrument waren. Mit dem Ergebnis, dass immer mehr Bakterien Resistenzen entwickelt haben und Antibiotika heute nicht mehr wirken. Eine Wunderwaffe droht zu verkümmern.
Agilität ist kein Breitbandantibiotikum
Das Antibiotikum im Management von heute heißt Agilität. Wo immer im Unternehmen Probleme auftreten oder aufzutreten drohen, wird Agilität verordnet. „Werdet agil!“ oder „Wir arbeiten jetzt agil“ lauten dann die Ansagen. Heute gibt es Agile Publishing, Agile Controlling, Agile Whatever. Agilität kommt auch dort zum Einsatz, wo es gar nicht passt und wo Agile Management zum Scheitern verurteilt ist. Mit dem Ergebnis, dass immer mehr Mitarbeiter Resistenzen entwickelt haben und Agile nicht wirkt. Eine Wunderwaffe droht zu verkümmern.
Mein Appell lautet: Lasst das Breitbandantibiotikum Agile Management im Medikamentenschrank. Und holt es nur dann raus, wenn der Patient es wirklich braucht. So wie eine gute Ärztin genau abwägt, wann ein Antibiotikum das richtige Mittel ist. Agilität dort, wo Unternehmen ihre Strategie anders nicht umsetzen können – dann aber hochdosiert und radikal. Das heißt: Die Teams müssen end-to-end verantwortlich sein, mit allen Funktionen, die sie für den Erfolg benötigen, inklusive Vertrieb, IT, Finanzen. Sonst droht Zombie-Agilität. Und damit Resistenzen und ein ewiger, lähmender Kampf zwischen Hierarchie und agilen Strukturen.