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Die Zukunft ist gestaltbar

Kommentar Dass Pläne nicht funktionieren, wusste schon Bert Brecht. Auf Basis der Erfahrungen aus der Vergangenheit lässt sich die Zukunft nicht prognostizieren. Es geht darum, Unmögliches zu denken und sich gegen das Schicksal aufzulehnen, meint Gastautor Dr. Guido Schmidt. So lasse sich die Welt verändern.

Foto: Brett Sayles von Pexels
Foto: Brett Sayles von Pexels

Planung soll Orientierung schaffen

In einer Zeit des Wandels ist es schwierig, die Richtung zu erkennen. Die Situation ist vergleichbar mit einem Schiff auf hoher See. In den tobenden Fluten den Kurs zu halten, ist keine leichte Aufgabe. Poseidon macht mit jeder Welle und mit jedem Windstoß klar, dass das Schiff nur ein Spielball seiner Elemente ist. Mannigfach zeigen sich Herausforderungen mit dem Potenzial zu echten Tragödien. Wie schön wäre es, wenn man irgendwie Orientierung gewinnen könnte.

Eine Heldenreise in die Zukunft
Was hindert uns auf dem Weg zur Exzellenz? Was fesselt uns an Paradigmen der Industriegesellschaft, die in einer komplexen und dynamischen Wissensökonomie nicht mehr passen? Und was lehrt uns ein Blick auf antike mythologische Helden? Diesen Fragen geht Dr. Guido Schmidt an dieser Stelle in Form eines Fortsetzungsromans nach.
Teil 9 Überall nur Ziele, keine Mission.

Das Management schafft sich Orientierung, indem es eine Planung erstellt. Das Risiko einer ungewissen Zukunft soll so begrenzt werden. Aber wie realistisch ist eine Betrachtung der Zukunft auf der Basis vorhandener Daten? Die klare Antwort lautet: Gar nicht! Eine solche Prognose bleibt in der Vergangenheit. Die Zukunft ist nicht planbar, aber gestaltbar.

Die Weisheit des Orakels

Die griechische Delegation wollte Sicherheit über den Erfolg der Mission gegen Troja. Ohne eine Weissagung des Orakels zu Delphi konnten die Griechen die Heldenreise nicht antreten. Delphi war die Mitte der Welt. Der mächtige Zeus hatte zwei Adler fliegen lassen, einen nach Westen und einen nach Osten, und diese hatten sich genau an diesem Ort getroffen. Der Gott Apollon herrschte über die heilige Stadt und die Weissagerin Pythia. Sie hatte ihren Namen von der geflügelten Schlange Python, die Apollon an dieser Stelle getötet hatte. Das Blut des Drachen war in die Erde eingedrungen und hatte die Kraft der Weissagung für immer in den heiligen Steinen hinterlassen.

Die Zukunft ist nicht planbar, aber gestaltbar.

Die Weissagung der Pythia war ein aufwendiges Ritual. Es gab, wenn überhaupt, nur einen Orakelspruch im Monat, wenn die Vorzeichen stimmten. Menelaos und Agamemnon hatten Glück, es sollte eine Weissagung geben. Als Könige durften sie mit einer vieldeutigen Aussage rechnen. Besucher mit niedrigerem Rang und weniger Geld durften nur Ja-Nein-Fragen stellen.

Die Seherin zog sich in das Innerste des Apollon-Tempels zurück und wurde in Trance versetzt. Die Männer aus Sparta und Mykene durften dieser Zeremonie nicht beiwohnen. Was im Inneren des Heiligtums vonstatten ging, blieb den Königen verborgen, aber sie waren fest davon überzeugt, die göttliche Wahrheit über die Zukunft zu erfahren.

Endlich verkündete ein Priester den Orakelspruch: „Der Schein der morgenfingrigen Eos wird dort, wo ihr hingeht, noch viele Male einen blutigen Horizont erleuchten. Aber ein Blitz aus der Mitte der Freiheit kann jede Mauer überwinden.“ Für die griechischen Könige war nun klar, dass der mächtige Zeus ihnen mit Blitz und Donner helfen werde, einen großen Sieg zu erringen zu können.

Moderne Weissagungen

In der heutigen Zeit stehen uns Seher mit göttlichen Fähigkeiten nicht mehr zur Verfügung. Wir suchen heute nicht mehr nach mythischen Weissagungen, sondern nach wissenschaftlicher Erkenntnis. Wissenschaftler sind das Orakel der modernen Welt. Die Rolle der Priester, die die Orakel praktisch auslegen, übernehmen heute Berater.

Wie realistisch ist eine Betrachtung der Zukunft auf der Basis vorhandener Daten? Die klare Antwort lautet: Gar nicht!

Dabei nehmen Wissenschaftler eine erst von Platon und Aristoteles entwickelte Art der Wissenschaft als unumstößlich an. Wissenschaft ist der Inbegriff der Objektivität. Ein Objekt wird von allen Seiten betrachtet, analysiert und objektiv dargestellt. Die „Wahrheit“ über das Objekt tritt so und nur so zutage. [1]

Das Problem dabei lautet: Die dargestellte (quantitative) Wahrheit endet immer in der Gegenwart. Für die Zukunft lassen sich absolut keine Wahrheiten identifizieren. Menschen können zwar mit allerhand Vermutungen ein Bild der Zukunft malen, ob aber alles so eintritt, wie angenommen, hängt an den Akteuren (und äußeren Einflüssen). Anders ausgedrückt: Die neue Wahrheit ergibt sich nicht aus den toten Gegenständen, den Objekten. Die Zukunft entsteht aus den subjektiven Ansichten, den Erkenntnissen und vor allen Dingen den Handlungen.

In Formeln gegossene Annahmen

Wenn die Wissenschaft auf der Basis von Zahlen, Daten, Fakten der Vergangenheit und Gegenwart in die Zukunft schaut, muss sie bestimmte Annahmen machen und in Formeln gießen. Doch die Zukunft ist nicht linear und nicht vernünftig. Gerade die Einstellungen und Handlungen, die vollkommen unvernünftig erscheinen, prägen das, was morgen sein wird. Für diese Unvernunft von Leuten, die in sich selbst das Potenzial für wichtige Veränderungen sehen, gibt es keine Formel.

Die Zukunft ist nicht linear und nicht vernünftig. Gerade die Einstellungen und Handlungen, die vollkommen unvernünftig erscheinen, prägen das, was morgen sein wird.

Ein besonders berühmtes und wissenschaftlich profundes Zukunftsszenario aus den 70er Jahren des vergangenen Jahrhunderts hieß: „Die Grenzen des Wachstums“. Autoren waren Dennis Meadows und der wissenschaftliche Club of Rome. Überprüfen Sie einmal, ob auch nur eine der durchgängig exponenziellen Funktionen aus heutiger Sicht stimmt. Das ist ernüchternd. Allerdings bleibt das Verdienst dieses Werkes, den Klimaschutz mehrheitsfähig gemacht zu haben. Auch dank der "Grenzen des Wachstums" haben sich viele Menschen mit ihrer Kreativität, ihrem Mut und ihrem Handeln dagegen gestemmt, dass die apokalyptischen Vorhersagen des Club of Rome eintreffen.

Das Schicksal liegt in den eigenen Händen

Wäre das Schicksal der Griechen vor Troja unabwendbar und göttlich vorherbestimmt gewesen, hätte menschliches Handeln dieses Schicksal nie beeinflussen können. Es wäre sinnlos gewesen, Energie zu verschwenden, um eine unabwendbare Tragödie abwenden zu wollen. 

Mit dem festen Glauben an die eigenen Fähigkeiten und der unerschütterlichen Überzeugung, dass man die Zukunft beeinflussen kann, ändert sich die Situation grundlegend. In dem Moment, in dem man sich gegen das Unvermeidliche auflehnt, verändert sich Geschichte. [2]. Ins Business gewendet: Wenn Sie ein neues Geschäftsfeld eröffnen, einen neuen Kunden gewinnen, die Lieferantenbasis und die Supply Chain neu aufbauen wollen, ändern Sie Ihre Welt. Und die Ihrer Kunden, Lieferanten, Mitarbeiter und Stakeholder.

In dem Moment, in dem man sich gegen das Unvermeidliche auflehnt, verändert sich Geschichte.

Der Erfolg kann größer oder kleiner sein, aber in jedem Fall wird sich etwas verändern. Damit werden aber die Prognosen derer, die aus der vergangenheit in die Zukunft blicken, unsicherer. Den Experten machen genau diejenigen zu schaffen, die wir uns so sehr wünschen: Menschen, die die Welt verändern. Im Neuen, im Mutigen, im Gewagten und im Erfolg liegt das Potenzial für eine neue Exzellenz. Nutzen wir unsere Chancen zur Exzellenz, indem wir den Weltveränderer in uns entdecken.

 

[1]         Stanford Lexicon of Philosophy https://plato.stanford.edu/entries/scientific-objectivity/

[2]         Johann Wolfgang von Goethe: „In dem Augenblick, in dem man sich endgültig einer Aufgabe verschreibt, bewegt sich die Vorsehung. Alle möglichen Dinge, die sonst nie geschehen wären, geschehen, um einem zu helfen. Ein ganzer Strom von Ereignissen wird in Gang gesetzt durch die Entscheidung und sorgt für zahlreiche unvorhergesehene Zufälle, Begegnungen, Hilfen. Was immer du kannst, beginne es.

Kühnheit trägt Macht, Genius, Magie. Beginne jetzt.“