Business Transformation New Work

Kein „Wirtschaftswunder 2.0“ ohne Neues Management

Analyse Es gelingt uns zunehmend, die Corona-Krise als Pandemie-Krise zu meistern. Um so mehr sollten wir jetzt nachdenken, wie wir auch die ökonomische Krise meistern. Mit den alten Strukturen und Management-Konzepten wird das nicht gelingen. Davon ist Gastautor Winfried Felser überzeugt.

Photo by CapDfrawy on Unsplash
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Kommt das neue Normal?

„Viel ist im Moment die Rede von dem „neuen“ oder dem „nächsten“ Normal. Wir wissen noch nicht, wie genau es aussehen wird, aber es wird in irgendeiner Form anders sein als das „alte“ Normal. Und wir müssen genau jetzt daran arbeiten. Wir brauchen ein klares Bild davon, wie unsere Unternehmen in drei Jahren sein sollten …“, schreibt Joachim Rotzinger auf Linkedin. Dann machen wir das doch und zwar am besten gleich in einer Serie. Wir starten dabei mit einem unerwarteten Thema: New oder Next Management.

The greatest danger in times of turbulence is not the turbulence; it is to act with yesterday’s logic.
Peter Drucker

„Nach der Coronakrise braucht es ein Wirtschaftswunder 2.0“. So lautet der Titel eines Gastkommentars von Thomas Sattelberger im Handelsblatt von Ende Mai. „Schon vor der Corona-Krise stand die Rezession vor der Tür, hatte Deutschland die niedrigste Innovatorenquote seit Beginn der KfW-Analysen 2002, erlebten Tausende Zombie-Unternehmen Scheinblüte wegen Niedrigstzinspolitik. Schon vor dieser Krise mangelte es der Automobilbranche an Transformation und der Gründerszene an Skalierung.“ Das ist der Kern von Sattelbergers Analyse. Bei diesen strukturellen Problemen reicht kein Geldregen.

Ein neues Hoffnungs-Narrativ

Eine solch fundamentale Krise braucht ein grundlegend „neues“ Hoffnungs-Narrativ, das echten Wandel treibt. Sattelbergers Vorschlag lautet „Wirtschaftswunder 2.0“. Sieben Punkte sieht er dafür als besonders relevant an. Aus Sicht des Autors ist Nummer 7 besonders spannend: „Mit New Work zur Entrepreneurial Society.“ Für Sattelberger bedeutet das „weit mehr als Homeoffice und die damit verbundene individuelle Souveränität für abhängig Beschäftigte“. Nämlich auch „balancierte Freiheits- und Schutzrechte für Freelancer und die wachsende Crowdwork, und hat mit Agilität und moderner Sozialpartnerschaft zu tun sowie mit (im)materieller Mitarbeiterbeteiligung“. 

Was sich hier andeutet, ist mehr als Zuckerguss, es ist ein paradigmatischer Wandel des Grundbausteins der alten ökonomischen Logik: des Managements.

New (Self, Team, …) Management als neuer Wirk-Hebel?

Dass wir einen Wandel, eine neue Logik in turbulenten Zeiten brauchen, darauf wies einer der Urväter des modernen Managements selbst hin – Peter Drucker: „The greatest danger in times of turbulence is not the turbulence; it is to act with yesterday’s logic!” Das Global Peter Drucker Forum ist der Bewahrung und Weiterentwicklung der Druckerschen Ideen verpflichtet und ist hier ein vorausschauender Wegweiser. „Entrepreneurial Society“ – das war 2016 der Titel des ersten Druckerforums, das der Autor besuchte, „Leadership Everywhere“ lautet dieses Jahr der Titel. „Mit New Work zur Entrepreneurial Society” dreht sich quasi um, wenn die unternehmerische Gesellschaft als Ausgangspunkt fünf Jahre später zur demokratisierten Führung und „Leadership everywhere“ führt. Als Klammer zeichnete sich in diesen fünf Jahren ab, dass wir den zentralen Schlüsselbegriff der Drucker-Welt fundamental neudenken und ausgestalten müssen – den Begriff des Managements (und den Begriff des „Managers“).

Management-Exorzisten möchten am liebsten den Begriff des Managements selbst auf den Müllhaufen der Management-Geschichte werfen. Das wäre nur sinnvoll, wenn man „Management“ auf ewig mit einem alten Verständnis zwangsverknüpfen würde. „Leadership everywhere“ deutet aber an, dass modernes Management oder New (Self, Team …) Management wenig zu tun hat mit dem Management im Kontext von Hierarchien, Silos, Plan and Control und anderen Irrwegen der tayloristischen, nicht mehr zeitgemäßen Vergangenheit. Natürlich braucht ein solches „Neues Management“ vor allem eine Entrümpelung oder – wie es HR-Infuencer Marc Wagner formuliert – ein „Cut the bullshit“, das über Jahrzehnte gewachsene Strukturen und Systeme radikal hinterfragt.

Sieben New-Management-S und 11 Thesen für das Next Normal

Für das „Neufüllen“ von Old Management mit New Management-Ansätzen kann man auf das sehr alte 7S-Modell von McKinsey zurückgreifen (< 1982). „Ursprünglich als Tool für externe  Unternehmensberater konzipiert, kann das Modell auch als Unternehmensführungskonzept zur Gestaltung einer Unternehmung und der Sicherung von Wettbewerbsvorteilen genutzt werden“, so Wikipedia. Von den harten Faktoren Strategy, Structure und Systems zu den weichen Faktoren Style, Shared Vision (Values!), Staffs und Skills bietet es die Möglichkeit der Verortung alter und neuer Management-Konzepte.

In der nachfolgenden Grafik sind typische „New Management“-Shifts anhand dieser Struktur eingeordnet, wie z.B. der Shift vom Effizienz-Fokus in Richtung Effektivität und Innovation, vom Wettbewerbs-Denken in Richtung Kollaboration, von Command & Control zur Selbstorganisation und von der Separierung von Managern und Arbeitern zu integrierten Teams.

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Mit den 7S zu New Management. So könnte das aussehen.  Grafik: Winfried Felser

In „The Next Normal – Perspektiven zur Zukunft des Organisierens“ haben Judith Muster und Thorsten Schaar im Kontext der Pandemie und im Austausch mit einem breiten Kompetenz-Netzwerk 11 Thesen zu Stichworten abgeleitet wie Betriebssystem, Entscheidungsfindung, Hierarchie und Führung, Informalität, Machtstrukturen, Beziehungen, Digitale Kollaboration, Innovation und Geschäftsmodelle, Ökosysteme, Purpose und New Work, die sich von trivialen Ratschlägen differenzieren und das Spannungsfeld der Krise deutlich machen, z.B. „In der Krise zeigt sich: Die dezentralisierte Organisation gewinnt – die zentralisierte aber auch!“. Das Next Normal ist also nicht trivial.

Bei einem solchen Aufbruch hätte der Schrecken der Pandemie am Ende doch noch etwas Positives. Auf jeden Fall ist es wertvoll, dass der zum Teil disruptiv wirkende Schock ein Old Normal verhindert. Eine unternehmerische Gesellschaft auf Basis von neuen Management-Konzepten stellt sicherlich eine Gesellschaft dar, die – im besten Fall – humanzentrierter sein wird als eine doch oft bürokratische Gesellschaft der Vergangenheit.