New Work Selbstorganisation

Hybride Hysterie

Analyse Ein Phänomen bestimmt die Diskussion um die Zukunft der Arbeit: die Hybridisierung. Hybrid scheint die Antwort auf alle drängenden Fragen rund um moderne und künftige Formen der Zusammenarbeit zu sein. Jule Jankowski fordert einen sprachlich differenzierten Umgang mit dem Begriff „hybrid“ und warnt davor, hybride Arbeitsformen als Zauberformel für das sogenannte Neue Normal zu betrachten.

Waschtrockner sind nicht das Beste aus zwei Welten. Foto: Adrienne Andersen, Pexels
Waschtrockner sind nicht das Beste aus zwei Welten. Foto: Adrienne Andersen, Pexels

Hybride Unschärfen

Ende 2021 hat sich das Wörtchen „hybrid“ einen neuen Bedeutungsraum erobert. Hybrid ist derzeit vor allen anderen Dinge unsere Arbeit. Und mit dieser semantischen Einengung hat „hybrid“ seiner Verwendung als Gattungsbegriff für Autos mit zwei Antriebssystemen echte Konkurrenz gemacht. Je nach persönlicher Filterblase, in der man sich vornehmlich aufhält, drückt das Wörtchen auf ganz eigene Knöpfe. Und so nimmt es den Karriereweg vieler anderer Schlagwörter, die eigentlich mehr oder weniger etwas Konkretes im Blick haben, in ihrer Verwendung jedoch immer schwammiger werden. Hybrid ist zum Nebelwort geworden. Wo liegen die Unschärfen im Begriff? Und auf der anderen Seite: Was macht die Faszination der Vokabel „hybrid“ aus?

Hybrid ist zum Nebelwort geworden.

Meine persönliche, ganz praktische Erfahrung mit dem Phänomen „hybrid“ reicht etliche Jahre zurück, in die Zeit als mein Mann und ich die erste gemeinsame Wohnung bezogen. Nach Jahren in der Studenten-WG erschien damals der Wunsch nach ein bisschen Geräteluxus ebenso dringlich wie unrealistisch. Ein Wäschetrockner sollte es sein, unbedingt. Die kleine Wohnung streikte und verwies auf beengte Verhältnisse in Küche und Bad. Ein pfiffiger Haushaltsgeräteverkäufer überzeugte uns vom Kauf eines Waschtrockners – waschen und trocken in einer Maschine, hybrid sozusagen.

„Wenn eins kaputt, dann alles kaputt“

Die Ernüchterung folgte der Euphorie auf dem Fuße. Zum einen dezimierte der integrierte Trockner die Füllmenge an Wäsche auf ungefähr ein Paar Jeans und zwei bis drei Paar Socken, was eventuell noch verschmerzbar gewesen wäre. Doch die echte Enttäuschung offenbarte sich nach recht kurzer Zeit. Der Trockner gab den Geist auf. Und er nahm die Waschfunktion gleich in Sippenhaft. Denn merke: Bei hybriden Geräten gibt es nur den gemeinsamen Untergang. „Wenn eins kaputt, dann alles kaputt,“ lautete mein damaliges, nüchternes Resümee. Es mag schon sein, dass diese elementare Erfahrung meine Grundskepsis gegenüber jeglicher Art von „Hybridisierung“ sehr früh genährt hat.

Bei hybriden Geräten gibt es nur den gemeinsamen Untergang.

Die Zukunft ist hybrid

Immer dann, wenn sich die Gegenwart abrupt von der Vergangenheit verabschiedet, sind viele eifrige Menschen zur Stelle, die Zukunft zu deuten und zu beschreiben. Da werden bisweilen auch Plattitüden als Visionen gehandelt, um ein Stückchen Zuversicht und Sicherheit zu vermitteln. So macht derzeit ein Ausruf die Runde, der bei näherer Betrachtung allerhöchstens als Binse taugt: „Die Zukunft ist hybrid!“. Christian Friedrich, Geschäftsführer der Haufe Akademie, meinte dazu in Folge 116 meines Podcasts GOOD WORK lakonisch: „Tja. Was sollte sie denn auch sonst sein?“ Wir können ausschließen, dass sich digitale Zusammenarbeitsformen wieder in die Ecke verkriechen werden, genauso wenig werden wir komplett auf analoge Begegnungen verzichten.

Hybrid suggeriert, dass wir uns nicht entscheiden müssen, dass wir alles haben können: die Effizienz und den Innovationsschub des Digitalen, das Heimelige, Vertraute und Zwischenmenschliche des Analogen.

Hybrid – als Synonym für eine Mischung, eine Kopplung von analog und digital – existiert in der Arbeitswelt seit geraumer Zeit. Die Pandemie hat den Regler zwischen digital und analog sicherlich ein gutes Stück weiter in Richtung Digitalität verschoben. Das Phänomen der Kopplung an sich ist weder neu noch visionär. Die neuen Rahmenbedingungen unserer Arbeit haben dafür gesorgt, dass es zur gelebten Praxis für viele Erwerbstätige geworden und damit in der Mitte unserer Arbeitsrealität angekommen ist. Mit hybrid beschreiben wir unseren gegenwärtigen Versuch, bestmöglich die Arbeitsfähigkeit zu erhalten und veränderten Gewohnheiten und Bedürfnissen zu entsprechen. Und dabei suggeriert hybrid, dass wir uns nicht entscheiden müssen. Wir können alles haben: die Effizienz und den Innovationsschub des Digitalen, das Heimelige, Vertraute und Zwischenmenschliche des Analogen. Und da sind wir beim eigentlichen Problem: Wir wollen uns nicht entscheiden. Für diesen Kompromiss nehmen wir das in Kauf, was für Autos, Waschtrockner und hybride Meetings gleichermaßen gilt: an der Kante zwischen den Betriebszuständen knirscht es mitunter gewaltig.

Wir wollen uns nicht entscheiden. Für diesen Kompromiss nehmen wir das in Kauf, was für Autos, Waschtrockner und hybride Meetings gleichermaßen gilt: an der Kante zwischen den Betriebszuständen knirscht es mitunter gewaltig.

Drei unterschiedliche Kontexte für hybrides Arbeiten

Greifen wir noch einmal den Ball der verschiedenen Vorstellungswelten auf, die sich mit dem Wörtchen „hybrides Arbeiten“ verknüpfen. Im Wesentlichen lassen sich drei Kontexte unterscheiden.

1. Hybrides Arbeitsmodell – Wann arbeite ich wo?
2. Hybride Meetings – Wer nimmt wie teil?
3. Hybride Events – Wer erlebt was?

Auf den ersten Blick mag sich hinter allen drei Aspekten das gleiche Grundschema verbergen, doch die Fragestellungen und persönlichen Blickwinkel unterscheiden sich deutlich voneinander.

Zur Erinnerung: Die Arbeit ist ausgezogen, zumindest wohnt sie seit längerem nicht mehr überwiegend im Büro.

1. Hybrides Arbeitsmodell – Wann arbeite ich wo?
Das sogenannte hybride Arbeitsmodell nimmt gerade Anlauf, eine echte Sehnsuchtsvokabel zu werden, ein Kompromiss zwischen allen Ansprüchen, die im Raum stehen. Das Lernen in Sachen Remote Arbeit hat in den vergangenen Monaten eine so steile Kurve genommen, dass einige Mahner davon ausgingen, die Arbeitswelt würde kollektiv aus selbiger fliegen. Indes, es ist nicht geschehen.
Wir wissen heute, dass Homeoffice weder ein paradiesischer Ort noch ein Privileg und auch kein Zufluchtsort für persönlichen Rückzug aus der Arbeit ist. Es ist schlicht EINER von vielen möglichen Rahmen, die wir um unsere Erwerbstätigkeit ziehen können. Der aktuelle Wunsch vieler Menschen nach gleichzeitig weniger Büropräsenz und dennoch persönlicher Begegnung und Austausch mit dem Team beschreibt ein Paradoxon, mit dem sich Unternehmen konfrontiert fühlen. Der gedanklich kurze und vermeintlich logische Sprung auf hybride Arbeitsmodelle im Sinne von 2 Tage hier, 3 Tage dort ist jedoch zu kurz.

Hybrid heißt von zweierlei Herkunft. Also: Was ist die Zwei?

Was sind die beiden Welten des Hybriden in diesem Bild? Das Homeoffice und das Büro? Die Arbeitsrechtler zumindest meiden das Wörtchen „Homeoffice“ in Vertragswerken, denn das impliziert einen Telearbeitsplatz, der in Deutschland eine ganze Kette von Anforderungen an Mitarbeiter und Arbeitgeber stellt. Oder beschreibt hybrid etwa die ganz grundsätzliche Unterscheidung zwischen vor Ort und nicht vor Ort? Das erscheint als seltsame, fast anachronistische Betrachtung einer industriell geprägten Wertschöpfung, die eine physische Präsenz erfordert. Zur Erinnerung: Die Arbeit ist ausgezogen, zumindest wohnt sie seit längerem nicht mehr überwiegend im Büro.

Die Wissensarbeit, so viel haben wir physisch erfahren, braucht nicht das Büro. Doch was genau findet dann dort noch statt?

Die Gleichung, vor Ort = analog und remote = digital, geht nicht auf, wenn wir über Arbeitsmodelle sprechen. Ist der Mitarbeiter, der an seinem Küchentisch die nämlichen Aufgaben erfüllt, die er ansonsten auf dem Werksgelände verrichtet, per se digitaler unterwegs als der Kollege auf dem Werksgelände? Das Wort „hybrid“ für ein Wechselmodell, ein Abwechseln zwischen „im Büro arbeiten“ und „irgendwo anders arbeiten“, erzeugt in jeder Hinsicht ein schiefes Bild und engt den Blickwinkel ein.

Wann können wir konsequenterweise von ortsungebundenem Arbeiten, meinetwegen von ortsflexiblen Arbeitsmodellen sprechen? Wie sonst hätten solche Visionen Platz, in denen beispielsweise drei Konzernkollegen gemeinsam einen Platz in einem Co-Working Space nutzen, noch dazu auf dem Land? Wenn dann der Chef alleine im Büro sitzt, stellt sich berechtigterweise die Frage: „Tja, wer ist denn jetzt hier dezentral, Du oder wir?“ Die Wissensarbeit, so viel haben wir physisch erfahren, braucht nicht das Büro. Doch was genau findet dann dort noch statt, oder besser: was genau sollte dort stattfinden? Raphael Gielgen, Trendscout bei dem (Büro)Möbelhersteller Vitra antwortete in Folge 121 von GOOD WORK: „Jetzt ist nicht die Zeit, Entscheidungen zu treffen. Jetzt ist die Zeit für Experimente“. Er sagt auch an anderer Stelle: „Das Büro der Zukunft ist für alles da, außer für das Arbeiten.“

Anstatt Mitarbeiter davon zu überzeugen, wieder „zurückzukommen“, gilt es jetzt, die Chance der partizipativen Ausgestaltung zu ergreifen.

Echte Experimente sind so ziemlich das genaue Gegenteil vom Hoppla-Prinzip, vom „Wir probieren einfach mal was aus“. Unternehmen sind gut beraten, jetzt ihren Teams Raum zum Diskurs und zur Reflexion zuzugestehen und aus den Lernerkenntnissen der vergangenen Monate kluge Schlüsse zu ziehen. Anstatt Mitarbeiter davon zu überzeugen, wieder „zurückzukommen“, gilt es jetzt, die Chance der partizipativen Ausgestaltung zu ergreifen. Den individuellen Wünschen nach mehr Eigenbestimmtheit sind die Anforderungen an gemeinsame Ziele und Zusammenarbeit gegenüberzustellen, um möglicherweise festzustellen, dass es gar keinen Widerspruch gibt.

Es kann in der Frage nach dem „Wo und wie wollen wir arbeiten?“ keine Blaupause für jedes Team, für jeden Arbeitskontext geben. Vielmehr können Teams auf ihren Annahmen basierend Prototypen für beispielsweise das wichtige Thema „gemeinsame, analoge Teamzeit“ entwickeln und nach einigen Monaten überprüfen, ob sich diese in ihrer Arbeitsrealität bewährt haben. Ist der Montag und Freitag wirklich tabu für einen Teamtag, wenn wir gleichzeitig merken, dass es sich an diesen Tagen ganz besonders reibungs- und staulos ins Büro pendeln lässt?
Manch kollegiale Spannungen haben sich in den letzten Monaten vielleicht schon allein dadurch in Luft aufgelöst, dass es kein Gerangel mehr zwischen den unterschiedlichen Bedürfnissen nach Ruhe, Frischluft und Austausch gab. Das kann als weiterer Impuls dafür dienen, Büroanwesenheiten smarter zu planen.

Fazit: Die Zukunft der Arbeitsmodelle ist nicht hybrid. Die Zukunft der Arbeitsmodelle sollte kontextgerecht und bedürfnisorientiert sein.

Meetings sind der Abendbrottisch der Unternehmen. Hier wie dort zeigen sich Manieren, Eigenheiten, rote Linien.

Kontextgerecht und bedürfnisorientiert

2. Hybride Meetings – Wer nimmt wie teil?

Wie war es – in vorpandemischen Zeiten – in deutschen Unternehmen um die Meetingkultur bestellt? Meetings waren – und mit dieser Aussage kann man vermutlich getrost in die Gegenwart schwenken – gleichermaßen zentrales Steuerelement der Zusammenarbeit und gigantischer Schmerzpunkt. In Sachen Meetingkultur drängt sich eine Analogie auf: Meetings sind der Abendbrottisch der Unternehmen. Hier wie dort zeigen sich Manieren, Eigenheiten, rote Linien.

Wir haben vielfach die gewonnene Zeit durch wegfallende Wegstrecken und Pendeln für mehr Zeit in noch mehr Videokonferenzen geopfert.

Kurz gesagt, es gab und gibt bis heute viele gute Gründe, das Thema Meetingkultur gründlich zu überarbeiten. Nicht wenige Unternehmen haben erfahren, wie stark Beharrungstendenzen in sozialen Systemen das Verhalten moderieren. Vor diesem Hintergrund mutet es seltsam an, dass die goldene Chance, die sich diesbezüglich aus der abrupten Dezentralisierung der Arbeit ergeben hat, so ungenutzt vorbeigezogen ist. Was ist passiert, als im März 2020 plötzlich Abertausende Menschen ihre Workspaces zu Hause installierten? Sie haben ausgerechnet genau das Element ins Digitale gerettet, das sie zuvor am allermeisten genervt hat: Meetings und Jourfixes.

Damit nicht genug, es wurde häufig noch eine Schippe draufgepackt und noch mehr per Videokonferenz abgestimmt, als man es zuvor für notwendig oder gar sinnvoll gehalten hätte. Wir haben vielfach die gewonnene Zeit durch wegfallende Wegstrecken und Pendeln für mehr Zeit in noch mehr Videokonferenzen geopfert. „Wir haben eine Freiheit gewonnen und eine andere dafür hergegeben“, sagt Oliver Blüher, Deutschland-Chef der digitalen Kollaborationsplattform Slack im Podcast GOOD WORK in der Folge 117.

Nach gut eineinhalb Jahren Betaphase für digitale Meetings haben sich auch hier einige Lernerfahrungen eingestellt, von denen souveräner Umgang mit digitalen Tools, mehr Sachbezogenheit, gleichzeitig lückenlose Aneinanderreihung von Meetings und atmosphärische Blindspots nur exemplarisch genannt seien. Erneut sei den Unternehmen empfohlen, die Erfahrungen der vergangenen Monate und die hinzu erlangten Kompetenzen nicht einfach zu ignorieren, sondern fein zu sortieren. Vielerorts dominiert jedoch der Reflex die Reflexion. Und so etabliert sich zu einer vermeintlich neuen Normalität, was sich aus den aktuellen Rahmenbedingungen einfach ergeben hat: hybride Meetings. Dieses Format ist eines von vielen Beispielen aus dem Arbeitskontext, an dem sich folgende Überlegung illustrieren lässt. Die Tatsache, dass wir uns an etwas gewöhnt haben, bedeutet noch lange nicht, dass es für uns normal, zur neuen Norm werden sollte.

Die Zukunft der Arbeitsmodelle ist nicht hybrid. Die Zukunft der Arbeitsmodelle sollte kontextgerecht und bedürfnisorientiert sein.

Mit der Telefonspinne im Konferenzraum – im ungünstigsten Fall – oder mit der automatisch fokussierenden Kamera auf den aktuellen Sprecher – im günstigeren Fall – werden jene Kollegen „dazugeholt“, die an einem anderen Ort als dem Besprechungsraum sitzen. Technologisch betrachtet, ist die Bezeichnung hybrid korrekt. Erneut sei die Frage gestattet: Und so soll die Zukunft aussehen? Welcher Teil dieses Setups ist innovativ, gemeinschaftsfördernd, visionär oder Ausdruck guter Zusammenarbeit?

Digital-integral statt hybrid

Wir sind an der Stelle Waschtrockner angekommen. Am Scharnier der beiden Betriebszustände kommt es häufig zu Problemen. Solange wir in der Dichotomie von analog und digital als ein Zwei-Welten-Modell denken, das wir auf Knopfdruck wechseln möchten, versperren wir unsere Sicht auf eine Kommunikation und Zusammenarbeit, die fluide und grenzenlos ist. Hybrid trennt und läuft damit Gefahr der Spaltung. These: Mitarbeiter, die dauerhaft zu Meetings und Workshops „dazugeholt“ werden, fühlen sich auf lange Sicht auch nicht mehr abgeholt oder schlicht nicht mehr gemeint.

Digital-integral meint vor allem, dass wir stärker differenzieren zwischen Arbeiten und Abstimmen, zwischen notwendigem synchronen Arbeiten und der Chance, die in asynchroner Arbeit besteht.

Was bieten sich für alternative Möglichkeitenn? Wie wäre es, wenn wir – zumindest für einen Moment – das Wörtchen hybrid und die damit verknüpften Gedanken in die Pause schicken könnten? Wenn wir viel eher von einer digital-integralen Arbeit oder Zusammenarbeit sprechen könnten? Digital-integral meint, dass wir uns souverän(er) im digitalen Raum bewegen und für uns verstanden haben, an welcher Stelle er uns nutzt und wie wir ihn bewusst einsetzen können. Digital-integral meint auch, dass wir nicht nur analoge Prozesse und Formate digitalisieren, sondern versuchen, analoge Elemente in den digitalen Austausch zu bringen. Digital-integral meint vor allem, dass wir stärker differenzieren zwischen Arbeiten und Abstimmen, zwischen notwendigem synchronen Arbeiten und der Chance, die in asynchroner Arbeit besteht.

Wir haben gelernt, dass digitale Tools einen enormen Effizienzschub in der Zusammenarbeit leisten können. Warum sollten wir diese nicht auch einsetzen, wenn wir uns persönlich gegenübersitzen? Kleiner Hinweis: Wenn schon hybride Meetings als einzige Alternative erscheinen, dann sollte gleiches technisches Recht für alle gelten. Kamera und digitales Whiteboard: an, nonverbale Querchecks und Indivudualabsprachen: off. Denn: Haben wir gut im Blick, ob wir immer die gleichen Menschen digital einbinden? Gibt es Möglichkeiten, das anders zu gestalten? Aus den Achsen digital/analog, vor Ort/remote und synchron/asynchron lässt sich ein multidimensionaler Raum für Zusammenarbeit beschreiben, der weit über das vereinfachende hybride Meeting hinausgeht.

Auch für hybride Meetings gelten die bekannten 7 Ps: Purpose, Product, People, Process, Preparation, Practical, Pitfalls.

Im Netz werden aktuell an vielen Stellen die neuesten Hacks für hybride Meetings geteilt und dabei vornehmlich auf Tools und Ausstattung abgestellt. Das Kernthema gelungener Meetings liegt jedoch auf anderen Ebenen, die es jenseits der Hybridisierung dringend zu klären gilt. Es sind die altbekannten 7 Ps, und zwar in der Reihenfolge: 1. Purpose (Ziel), 2. Product (Ergebnis), 3. People (Beteiligte), 4. Process (Struktur, Ablauf), 5. Preparation (Agenda, Vorbereitung), 6. Practical (Raum, Termin, Technik), 7. Pitfalls (Hürden).

Fazit: Die Zukunft unserer Zusammenarbeit ist – hoffentlich- nicht hybrid. Die Zukunft unserer Zusammenarbeit sollte digital-integral sein.

3. Hybride Events – Wer erlebt was?

Meeting, Workshop, Event – ist das eine Kollaborations-Kaskade oder gelten für diese Kontexte ganz unterschiedliche Kriterien?
Events – im Sinne von Barcamps, Konferenzen, Messen – schaffen Erlebnismomente, die nicht selten zum Selbstzweck jener Veranstaltungen erhoben werden. Es gilt der olypmische Gedanke: Dabei sein ist alles. Wenngleich vordergründig in diesem Rahmen neue Produkte, neue Gedanken, Modelle – physisch wie mental –, Innovationen jeglicher Couleur präsentiert, besprochen oder gar entwickelt werden. Das tiefere Motiv der allermeisten Besucher, solche Veranstaltungen zu besuchen, liegt an einer anderen Stelle. Es geht um das unmittelbare Erleben, das physische Aufeinandertreffen mit Menschen, die Inspiration und Begeisterung versprechen. Es geht neudeutsch um: Experience. Und die ist im Digitalen häufig (bislang) nur zweitklassig.

Haptische Anreicherung schafft Begeisterung

Wer bekannte, geübte Formate aus dem Analogen eins zu eins ins Digitale überträgt, wird verlässlich scheitern. So sind hohe Abbruchraten über den Tag die oft traurige Bilanz und gemeinschaftlich gehütetes Geheimnis von Veranstaltern, die tapfer die Digitalisierung ganztägiger Events wagen. Gewiss, auch hier hatten Veranstalter und Ausrichter hinreichend Gelegenheit, sich auszuprobieren und Formate weiterzuentwickeln.
Haptische Anreicherung ist ein Element, das immer wieder Begeisterung und echte Beteiligung entfachen kann.

Wer bekannte und geübte Formate aus dem Analogen eins zu eins ins Digitale überträgt, wird verlässlich scheitern.

Im Gegensatz zu Meetings und Arbeitszeitmodellen ist die Frage nach der Austragungsart derzeit oft ein k.o.-Kriterium. Digital oder gar nicht ist die unbeugsame Realität von Veranstaltungen in der Spät-Pandemie. Da erscheint die Aussicht auf ein hybrides Event, ein bisschen „echt“ schon fast als Lichtstreifen. Digitale Events haben nicht selten den Charme des Laufbandtrainings: Ja, man wird fitter, und es ist definitiv klüger als die Variante „no sports“. Unter Trainingsaspekten ist es eventuell sogar dem rein analogen Waldlauf überlegen, bei dem ich jeden Berg so nehmen muss, wie er kommt und nicht, wie ich ihn in meinem Profil eingestellt habe. Aber wo bleiben das Erlebnis, die Waldluft, die Vogelstimmen, die vorbeiziehende Landschaft? Unser Hirn erweist sich im digitalen Raum als erstaunlich lahmarschig und sucht häufig nach dem „Da“. Wo sind die anderen? Wie kann es sein, dass wir alle „nicht da“ sind und doch zusammentreffen? Eine subtil naive Fragen, die bei hybriden Events tatsächlich auf die Spitze getrieben wird. Wir sehen die Party durch die Glasscheibe des Lokals, die Party sieht uns. Und mit ein bisschen Glück haben wir auch eine Parallelveranstaltung auf dem Bürgersteig mit all den anderen, die nicht „reinkommen“. Und gleichzeitig sind wir nicht wirklich dabei.

Unser Hirn erweist sich im digitalen Raum als erstaunlich lahmarschig und sucht häufig nach dem „Da“. Wo sind die anderen?

FOMO – die „fear of missing out“ – ist der permanente Begleiter hybrider Veranstaltungen. Dieser Umstand allein ist kein Argument, diese Formatgattung generell abzumoderieren. Die unterschiedlichen Teilnehmerperspektiven sollten jedoch nicht nur gestreift, sondern ernsthaft in den Blick genommen werden. Die Frage nach dem spezifischen Erleben je nach Beteiligung ist wichtiger als die Jagd nach hohen Teilnehmerquoten. Diese werden schnell zur „Vanity Metric“, zur Schein-Kenngröße, die dem Veranstalter schmeichelt, jedoch wenig über den nachhaltigen Erfolg des Events aussagt. Sicherlich bieten hybride Events die Chance – nicht nur zu Pandemiezeiten – auch Menschen einzubinden, die die Mühen der persönlichen Anwesenheit nicht auf sich nehmen wollen. Und auch für sie gilt: Die Zukunft der Events ist nicht hybrid. Die Zukunft der Events ist experiencebasiert.

Was ist denn nun "hybrid"?

Fassen wir zusammen und bringen wir "Hybrid" auf den Punkt:

  • Hybrid ist die Kopplung zweier Welten, mit einer wahrnehmbaren Grenze.
  • Hybrid als Beschreibung von Arbeitskontexten ist nicht halb so präzise, wie es vermuten lässt.
  • Hybrid suggeriert, wir müssten uns nicht entscheiden.
  • Hybrid ist ein typisches Transformationsphänomen und keine Vision.
  • Hybrid taugt manchmal als pragmatisches Mittel der Wahl.

Hysterie – jenseits pathologischer Zustände – ist assoziiert mit übertriebener Erregbarkeit, mit auffälliger Suche nach Lob, Anerkennung und Aufmerksamkeit. In diesem Sinne erfüllt die Verwendung des Wörtchens „hybrid“ derzeit die Kriterien für eine hysterische Verwendung. Mit ein paar gezielten Fragen, einer differenzierteren Betrachtung sollte es gelingen, die aktuelle „Sau“ beim Dorfrundgang ein wenig im Zaum zu halten.