Business Strategie Leadership

Start-up im Wachstum: „Wenn wir etwas verändern, sind wir konsequent“

Corona und ein Millionen-Exit: Für die Gründer des Mobile-Games-Unternehmens Kolibri Games war 2020 turbulent. So sind sie damit umgegangen.

Mit Idle Miner Tycoon, einem Handyspiel, bei dem die Spielerinnen und Spieler nach und nach ein Minenimperium aufbauen, wurde Kolibri Games erfolgreich und selbst zu einem kleinen Imperium.
Mit Idle Miner Tycoon, einem Handyspiel, bei dem die Spielerinnen und Spieler nach und nach ein Minenimperium aufbauen, wurde Kolibri Games erfolgreich und selbst zu einem kleinen Imperium.

Vor vier Jahren haben Daniel Stammler und seine Mitgründer das Mobile-Games-Unternehmen Kolibri Games gestartet. Jetzt haben die Gründer das Unternehmen für fast 120 Millionen Euro verkauft und währenddessen aufgrund der Corona-Pandemie eine neue Normalität für die Firma entwickelt. Im Interview erzählt Daniel Stammler, Gründer und Co-CEO von Kolibri Games, wie das Unternehmen mit all diesen Veränderungen zurechtkommt, und warum Struktur für die Gründer immer noch einen hohen Stellenwert hat.

Daniel, dieses Jahr ist bei Kolibri Games viel passiert: Im Februar wurde die Firma Teil des Spieleentwicklers Ubisoft. Das Unternehmen hat für rund 118 Millionen Euro eine 75-Prozent Mehrheit an Kolibri Games erworben. Im März kam dann Corona. Welches Ereignis war für Dich einschneidender?

Für mich war der Teilverkauf an Ubisoft ein Ereignis, das mein Leben verändert hat und ich würde es als einschneidender bezeichnen. Auf der anderen Seite gingen der Verkauf und das Aufkommen der Corona-Situation Hand in Hand. Den Verkauf haben wir noch gemeinsam im Büro gefeiert und ein paar Wochen später ging es in den Lockdown.

Daniel Stammler ist einer der Gründer von Kolibri Games
Daniel Stammler ist einer der Gründer von Kolibri Games.

Ihr hattet im Büro strenge Regeln, zum Beispiel starre Arbeitszeiten und -routinen, ein großes Office, in dem man nicht sprechen durfte und klare Hierarchien. 2019 haben wir auf Haufe New Management darüber berichtet. Habt Ihr all diese Regeln aufgegeben oder ins Homeoffice übertragen?

Wir hatten einige Regeln und Strukturen bereits vor Corona angepasst, was auch daran lag, dass die Firma gewachsen ist.

Wir haben uns zum Beispiel von der Idee getrennt, dass wir alle gemeinsam in einem großen Raum zusammenarbeiten. Stattdessen gab es mehr Räume für einzelne Teams, in denen sie miteinander reden konnten. Von den starren Arbeitszeiten haben wir uns ebenfalls gelöst. Diese Schritte waren aber nur möglich, weil wir zuvor gute Prozesse etabliert hatten. Das hat uns auch den Übergang ins Homeoffice sehr erleichtert. Man könnte ja meinen, dass so ein Schritt bei einer Firma wie unserer, die stark auf Präsenz gesetzt hat, schwieriger ist, tatsächlich war das Gegenteil der Fall. Weil wir immer stark auf Prozesse und Strukturen geachtet haben, ist uns der Schritt ins Homeoffice relativ leicht gefallen.

Das heißt, Du hattest und hast kein Problem damit, dass die MitarbeiterInnen jetzt von ihren Homeoffices aus arbeiten?

Ich hatte anfangs Angst, dass uns der Umsatz wegbricht. Aber natürlich hatte die Gesundheit der MitarbeiterInnen oberste Priorität. Es hat schließlich besser funktioniert als ich gedacht hätte. Die Produktivität ist sehr hoch geblieben, auch weil wir unsere eng getakteten Sprints von Anfang an beibehalten haben. Wir haben außerdem von Tag Eins an geschaut, dass unsere Leute im Homeoffice gut arbeiten können und alles zur Verfügung haben, was sie brauchen. Diese Investitionen haben sich im Nachhinein betrachtet gelohnt, die Zeit im Homeoffice hält schließlich immer noch an.

 

Weil wir immer stark auf Prozesse und Strukturen geachtet haben, ist uns der Schritt ins Homeoffice relativ leicht gefallen.

 

Habt Ihr für die Zusammenarbeit im Homeoffice neue Regeln und Strukturen etabliert?

Ja, wir haben zum Beispiel festgelegt, dass alle Besprechungen via Video stattfinden sollen. So bleiben die Gespräche persönlicher. Gerade für neue MitarbeiterInnen ist es wichtig, dass sie ihre Teamkollegen sehen und selbst gesehen werden. Wir haben drauf geachtet, dass es weiterhin soziale Elemente während des Arbeitstages gibt. Es gibt in den Teams zum Beispiel Zoom-Kaffeepausen.

Auf Eurem Blog ist auch von der Regel „get dressed for work“ zu lesen.

Das ist richtig. Das soll den Leuten einfach helfen, jeden Tag in den Arbeitsmodus zu kommen. Arbeit und Privates sollen nicht noch stärker verschwimmen und da ist es nun mal hilfreich, wenn man sich nicht im Schlafanzug an den Laptop setzt.  

 

Wir möchten keine schwammigen Homeoffice-Vorgaben. Wir haben gesagt, wenn wir etwas verändern, dann sind wir konsequent.

 

Gibt es einen Plan für das Arbeiten bei Kolibri Games nach Corona?

Für unsere Firma hat sich in den vergangenen Monaten abgezeichnet, dass wir nach der Pandemie nicht nur an das anschließen wollen, was bei anderen Firmen möglich ist, sondern einen Schritt vorrausgehen wollen. Wir möchten keine schwammigen Homeoffice-Vorgaben. Wir haben gesagt, wenn wir etwas verändern, dann sind wir konsequent. So kam die 4+1-Regelung zustande.

Kein Spiel ohne Regeln - agiles Arbeiten bei Kolibri Games
Ein Nine-to-Six-Job, keine Gespräche am Arbeitsplatz und fest geregelte Pausenzeiten – wieso ausgerechnet ein Start-up sich für diesen Büroalltag entschieden hat.
Ein Besuch bei Kolibri Games

Was hat es mit dieser Regelung auf sich?

Die 4+1-Regelung bedeutet für die einzelnen Teams, dass sie einen Tag in der Woche haben werden, an dem sie als Team zusammen im Büro arbeiten, sich austauschen und neue Ideen entwickeln. Die anderen vier Tage können die Teammitglieder entweder von zuhause aus oder vom Büro aus arbeiten. Allerding, und das war uns sehr wichtig, finden an diesen vier Tagen alle Besprechungen via Zoom statt. So kommt es zu keinem Medienbruch. Es ist ein konsequenter Schritt Richtung Homeoffice, gleichzeitig aber auch ein Signal, dass wir unser Office halten und die gemeinsame Arbeit an einem Ort im Team beibehalten wollen. Das Konzept ist außerdem das Ergebnis einer umfangreichen Abstimmung, in der wir den MitarbeiterInnen eine lange Liste an Fragen rund um die Zukunft der Arbeit gestellt haben.

Hat sich dieses Konzept in der Praxis schon bewährt?

Bis jetzt konnten wir das Konzept noch nicht ausrollen und es sieht momentan auch nicht danach aus, dass wir es dieses Jahr angehen können. Trotzdem war es uns wichtig, das Konzept jetzt schon nach außen zu kommunizieren. Es zeigt, wie wir als Firma agieren, und dass wir nach vorne gerichtet denken.

Jetzt seid Ihr Teil des großen Videospielunternehmens Ubisoft. Was hat sich dadurch für Kolibri Games geändert?

Für uns war von Anfang an klar, dass wir die Firma eigenständig weiterführen wollen und Ubisoft uns den Rücken frei hält. Zum Beispiel unterstützt uns Ubisoft bei der Erschließung des chinesischen Markts. Wir Gründer führen die Firma weiterhin mit denselben Zielen: Sie soll profitabel sein. Aber wir sind natürlich in einem engen Austausch mit Ubisoft und berichten einmal im Monat an das Unternehmen. 

Es hat sich aber noch etwas verändert: Wir konnten vor dem Verkauf immer nur sehr kurzfristig denken. Wir hatten das Wachstum der nächsten ein bis zwei Monate der Firma im Blick. Wir haben uns aber nicht die Zeit und den Freiraum genommen, um neue Spiele zu entwickeln.

Das könnt Ihr jetzt tun?

Ubisoft plant in anderen Zeiträumen. Die wollen in fünf oder zehn Jahren groß im Mobile-Games-Markt vertreten sein, und deshalb unterstützen sie uns bei den großen Projekten, die Zeit brauchen. Deshalb konnten wir jetzt mit einem Experiment starten, einem neuen Büro in Bukarest mit zehn MitarbeiterInnen, in dem an neuen Spielen gearbeitet werden kann.

Das sind sehr viele Veränderungen in einer kurzen Zeit. Wie haben sich diese Veränderungen auf eure Firmenkultur ausgewirkt?

Wir wachsen stetig, das stimmt, aber wir wachsen in einem handhabbaren Maß, so dass unsere Firmenkultur noch gut mit den Veränderungen mitkommt.

 

Für Leute aus unserem Team, die schon sehr früh bei Kolibri Games dabei waren, bedeutete der Verkauf, dass sie zum Teil sechsstellige Summen ausbezahlt bekommen haben.

 

Trotzdem kommen mit so einem Firmenverkauf oft auch Bedenken vonseiten der MitarbeiterInnen zutage. Wie hat Euer Team in Berlin auf den Verkauf reagiert?

Wir haben seit der Gründung des Unternehmens unsere MitarbeiterInnen mit Esops am Unternehmenserfolg beteiligt. Damit wollten wir von Anfang an sicherstellen, dass alle MitarbeiterInnen nicht nur ihr eigenes Gehalt, sondern den Erfolg des ganzen Unternehmens im Blick haben. Für Leute aus unserem Team, die schon sehr früh bei Kolibri Games dabei waren, bedeutete der Verkauf, dass sie zum Teil sechsstellige Summen ausbezahlt bekommen haben. Aber selbst für die MitarbeiterInnen, die noch im Januar 2020 zur Firma dazugestoßen sind, gab es mehrere Tausend Euro. Das heißt, der Verkauf hat sich für die MitarbeiterInnen finanziell gelohnt. Das war toll und dafür haben sie auch hart gearbeitet. Ubisoft ist außerdem einer der attraktivsten Spielehersteller weltweit. Jeder mag die Ubisoft-Spiele und die Leute finden es cool, dafür zu arbeiten.

Jetzt ist es vier Jahre her, dass Du und deine Gründerkollegen Kolibri Games gestartet habt. Wie hat sich Eure Führung in der Zeit gewandelt?

Dadurch, dass unsere Firma stetig wächst und auch gewachsen ist, hat sich Vieles professionalisiert. Wir gehen die Dinge strukturierter an und haben zum Beispiel verschiedene Tools entwickelt, um Feedback einzuholen und zu geben. Wir merken, dass unseren MitarbeiterInnen Strukturen wichtig sind, denn durch Strukturen schafft man Transparenz und kann sicherstellen, dass alle gleich behandelt werden – unabhängig davon, welche Führungskraft ein Team hat. Trotzdem wird Führung natürlich immer etwas sein, was mit dem Stil der jeweiligen Person zusammenhängt. Wir wollen aber sicherstellen, dass wir uns alle im gleichen Rahmen bewegen.

Was hast du für Dich und Deinen Führungsstil mitgenommen aus den vergangenen Monaten?

Ich glaube immer noch, dass man seine Führung nach den Leuten und das, was sie brauchen, richten muss. Menschen wollen unterschiedlich geführt werden. Ich finde es wichtig zu hinterfragen, warum sich Leute in manchen Situationen so verhalten, wie sie sich verhalten. Ich will Probleme nicht nur oberflächlich betrachten, sondern frage lieber einmal mehr nach, was der eigentliche Wunsch hinter einer bestimmten Handlung ist. Und je mehr Menschen man kennenlernt und je mehr Herausforderungen man begegnet, desto eher kann man ein Set an verschiedenen Lösungen entwickeln.

In vier Jahren wird Kolibri Games zu 100 Prozent an Ubisoft übergeben. Wirst Du dann weiterhin Teil von Kolibri Games sein?

Ich habe mir noch keine Gedanken gemacht, was ich danach machen werde, aber fest steht, dass ich die nächsten vier Jahre Kolibri führen werde.