New Work Agilität

Flache Hierarchien schließen starke Führung nicht aus

Kommentar Starke Charaktere und klare Ansagen haben immer noch Konjunktur. Nur ist Autorität nicht mehr das Privileg einzelner Player.

Wer am lautesten brüllt, muss nicht immer recht haben. Autorität hat derjenige inne, der sowohl befähigen und führen als auch im richtigen Moment folgen kann.
Wer am lautesten brüllt, muss nicht immer recht haben. Autorität hat derjenige inne, der sowohl befähigen und führen als auch im richtigen Moment folgen kann.

Autorität gesucht

In ungewissen Zeiten sehnen sich Menschen nach starken Führungspersönlichkeiten. Für „Autorität und klare Ansagen“ plädiert auch Kolumnistin Susanne Gaschke in der „Welt“. „Wir brauchen Mut zum Charakter: in den Unternehmen, in den Medien, in der Wissenschaft und der Politik“, schreibt sie und liefert vorab die Begründung, warum es momentan an solchen starken Charakteren mangelt: Ihr ist Deutschland zu gemütlich. „Im Büro sind die Hierarchien heutzutage niedrig, die politischen Gespräche zuhause abgeflacht. Wer streitet noch mit Andersdenkenden, statt sich überall nur gemütlich einzurichten?“

Der Wunsch nach Autorität und klaren Ansagen entspricht der Vorstellung von einer mächtigen Führungskraft.

Das Team und die Gemeinschaft werden in diesem Beispiel dem selbstständig und kritisch denkenden Menschen entgegengesetzt. Das Problem dabei: Die Autorin vermischt hier zwei Aspekte miteinander. Sie setzt Autorität mit hierarchischer Führung gleich. Der Wunsch nach Autorität und klaren Ansagen entspricht der Vorstellung von einer mächtigen Führungskraft, die nur eine eindeutige Haltung und den richtigen Plan braucht, um die Menschen von sich zu überzeugen und zu Höchstleistungen zu motivieren.

Agilität verändert alles

Nur entspricht diese einfache Vorstellung nicht unserer komplexen Welt. In den Unternehmen geht es alles andere als gemütlich zu. Digitalisierung, Globalisierung, Fachkräftemangel – mit all diesen und noch viel mehr Veränderungen müssen die CEOs dieser Welt gerade zurechtkommen. Immer mehr von ihnen merken, dass diese ungewisse Zeit mehr verlangt, als das reflexartige Rufen nach der einen großen Autorität. Vielmehr geht es darum, das bisher noch vorherrschende Prinzip Weisung und Kontrolle mit anderen Organisationsmodellen zu ergänzen - zugunsten einer stark nachgefragten Agilität.

Wer im richtigen Moment nicht folgt, verliert

Und wo bleibt die Autorität in solch einer flachen Hierarchie? Die sitzt natürlich mit am Tisch. Starke Führung, rebellische Charakter und flache Hierarchien schließen sich keineswegs aus. Die Abkehr von Hierarchien ist keine Abkehr von Führung und auch keine Abkehr von Regeln. Führung bedeutet in diesem Arbeitsumfeld nur etwas anderes: Die starken Autoritäten, nach denen so verzweifelt gesucht wird, finden sich in jedem einzelnen Teammitglied. „Jeder muss führen und folgen können“ schreibt Umantis-Gründer und Vordenker der Unternehmensdemokratie Hermann Arnold in seinem Buch „Wir sind Chef“. Das heißt, eine starke Führungsperson bleibt auch noch dann eine Autorität, wenn sie folgt und damit Kompromisse eingeht. Gleichzeitig können Menschen in bestimmten Situationen Führung übernehmen, die sonst – trotz einer starken Meinung – nicht zum Zug gekommen wären. 

Einsame Entscheidungen haben ausgedient.

Das klingt nicht nur komplizierter als die Regel „Einer führt – der Rest hat zu folgen“ – es ist es auch. Denn mit Gemütlichkeit oder dem Wegschieben von Verantwortung haben solche Arbeitsmodelle nichts zu tun. Aber die Mühe lohnt sich – auch zum Wohle eines neuen Autoritätsbegriffes. In Unternehmen wie auch in der Politik zeigen doch viele Beispiele: Wer nicht bereit ist, im richtigen Moment zu folgen, statt zu führen, handelt verantwortungslos und hat ganz plötzlich jegliche Autorität verloren. Einsame Entscheidungen haben in den Unternehmen ausgedient. Autorität haben diejenigen, die es schaffen, Pluralität zum Wohle eines großen Ganzen, nämlich des Unternehmenserfolgs, zu vereinen.